Mit der Zeit gewachsen

Gesprächsrunde, Siedlung Muttenz I
EBG Jahresbericht 2016
Text: Claudia Kocher | Fotos: Stephanie Wells


Da ist Noelani, Amerikanerin, die nichts von Gartenarbeit wusste und nun täglich dazulernt und ihr Sohn, der gerne im Garten Laufrad fährt.
Da ist Nicole, die gelernte Gärtnerin. Sie hat für die EBG Hecken geschntten, Rasen gemäht und die Rabatte vor dem Haus betreut.
Da ist Lona, die beim Einzug niemanden kannte und im Garten viele Kontakte schloss.
Da ist Alois. Mit 83 Jahren klettert er immer noch auf die Bäume und schneidet die Äste.
Da ist Martin, der Hausverwalter. Er ist in diesem Garten aufgewachsen und hat dort auch seine drei Söhne grossgezogen.
Da war Tino, der gestorben ist, aber für alle, die im Garten arbeiten, immer noch präsent ist.

Der Garten ist eine soziale Sache, wir bilden eine Gemeinschaft.
Im Garten an der Genossenschaftsstrasse in Muttenz treffen sich drei Generationen – dank Gartenbeeten und Spielplatz. Die Unterschutzstellung im Jahr 2015 verpflichtet die EBG, die Beete weiterhin zu betreuen.


Wir haben von den Gärten gelebt.
Als Alois 1972 an die Genossenschaftsstrasse nach Muttenz zog, waren alle Gärten belegt, Rasen gab es noch keinen. «Wir haben von den Gärten gelebt. Das war kein Hobby, sondern Nahrungsgrundlage», erklärt der ehemalige Eisenbähnler. Kartoffeln, Bohnen, Tomaten, Salat, Früchte – so wie heute, aber von allem viel mehr, denn jede Familie hatte ihren Garten, das Areal erstreckte sich noch weiter als heute. Da es noch keine Tiefkühltruhen gab, habe man im Dorf ein Kühlfach für 30 Franken im Jahr mieten können, erinnert sich Alois Suter.


Vor 2015 hat man anstatt eines unbenutzten Beetes Rasen gepflanzt. Das ist heute nicht mehr erlaubt.
Die EBG-Siedlung, auch Muttenz I genannt, die neben der Fachhochschule Nordwestschweiz liegt, zählt 52 Wohnungen. Wer möchte, kann im Garten ein Beet, zirka 50 m², oder einen Teil des Beetes nutzen. Vorschriften, was gepflanzt werden soll, gibt es keine. 2015 wurden die Gärten von der Gemeinde Muttenz unter Schutz gestellt. Das bedeutet, dass auch die Anzahl bestehende Beete bleiben müssen, wie sie sind.


Im Winter ist die Wohnung das eigene Reich, im Sommer ist es unser Garten.
Obwohl längst nicht mehr alle Familien einen Gartenteil bearbeiten, hat sich der Sinn fürs Gemeinschaftliche in all den Jahren nicht geändert. «Wenn man etwas sät, läuft man mit dem Steckholz herum und fragt die anderen, ob sie auch etwas möchten», erklärt Alois. Der Garten ist vielfältig nutzbar. Es gibt kleine Pergolas, eine Bank zum Sonnentanken. Wer von Gartenarbeit genug hat, nimmt einen Stuhl, setzt sich hin und plaudert mit den Nachbarn. Die Eltern treffen sich auf dem Spielplatz. Auch eine grosse Wäscheleine ist gespannt.


Man muss keine Kinder einladen, alle können sich draussen treffen.
Heute hat der Garten nicht nur Pflanzbeete, sondern in der Mitte des Gartens, bei den 4-Zimmer-Wohnungen, liegt der Spielplatz mit Rutschbahn, Schaukel und neuerdings einem grossen Trampolin. Auf dem Areal befindet sich auch das Gartenhaus mit Veloständer sowie ein Grillplatz.


Man konnte draussen arbeiten und hatte gleichzeitig die Kinder im Blick.
Noelani, die zwei kleine Kinder hat, schwärmt vom Spielplatz. «Man muss keine Kinder einladen, alle können sich draussen treffen.» Als ihr Ältester vier Jahre war, konnte sie ihn bereits alleine im Garten lassen, mit offenem Fenster und ab und zu einem Kontrollblick. Wie praktisch das war, daran erinnert sich auch Martin Zeltner.


Es ist schön, wenn im Frühling die Leute ausschwärmen wie die Bienen. Wenn es in den Fingern kribbelt, wenn man wieder mit den Händen arbeiten möchte.
Wenn Nicole ihre Ruhe will, legt sie sich in die Hängematte. «Im Garten ist man ausgestellt, da habe ich nicht das Gefühl , dass ich mich zurückziehen kann.» Wenn sie im Garten ist, wird sie öfters um Rat gefragt. «Obwohl ich mich mit Gemüse anfänglich gar nicht auskannte.» Noelani schätzt es, dass sie im Sommer kein Gemüse kaufen muss, seit sie den Garten hat. «Es ist zwar nicht bio, aber es ist trotzdem gut. Ich hoffe, dass meine Kinder später auch gerne gärtnern.» «Die Jungen», meint Martin, «haben zum Teil kein Interesse. Erst wenn sie älter werden, lernen sie die Arbeit im Garten schätzen.» Lona ging es auch so. Erst als sie 2008 zur EBG kam, wuchs das Grüne in ihr. «Ich hatte doch vorher im Leben nie Zeit für so etwas.» Heute ist sie passionierte Gartenfachfrau und fühlt sich mit ihren zwei Beeten bereits als Grossgrundbesitzerin. «Der Garten ist eine soziale Sache, wir bilden eine Gemeinschaft.»

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